Was versteht man eigentlich unter Bindung des Hundes an seinen Menschen? Wie erfolgt Bindungsaufbau? Sind über natürliche Triebe gearbeitete oder mittels positiver Verstärkung ausgebildete Hunde nur manipuliert? Und was hat das alles mit einem sicheren Rückruf zu tun?

Ein sehr schwieriges Thema, zehn Trainer, zehn Meinungen.  Es gibt viele bekannte Ausbilder, die eigene Methoden entwickelt und teilweise leider auch dogmatisiert haben. Methoden, bei denen zum Beispiel nur mit positiver Verstärkung gearbeitet wird, andere, die die ausschließliche Erarbeitung der täglichen Futterration als Motivation/Belohnung einsetzen, wieder andere, die gänzlich auf künstliche Triebmittel (Leckerchen, Spielzeug etc.) verzichten und auf „Rudelordnung“  zurückgreifen, ganz zu schweigen von denen, die ausschließlich über Zwang arbeiten (letztere lasse ich aber bei meinen folgenden Betrachtungen mal völlig außer acht, weil für mich völlig indiskutabel). Ich habe mich dennoch bemüht, einmal diesem Thema zu nähern und dabei auch meinen Umgang mit den eigenen Hunden zu reflektieren.

Vorab, ich arbeite meine Hunde a) sehr viel über ihren mehr oder minder natürlichen Trieb, b) mit Leckerchen (für mich aus Sicht des Hundes ein Stück weit auch „Beute“). Dennoch behaupte ich, meine Hunde haben echte Bindung zu mir aufgebaut und würden mir, auch ohne dass ich Leckerlis im Säckel habe, folgen bzw. sich zurückrufen lassen.

Was also ist Bindung und warum kann die reine Konditionierung eines (Rückruf-) Hörzeichens nur mäßigen Erfolg haben?

Ich verstehe unter Bindung des Hundes an seinen Menschen, dass er diesem vertrauensvoll (und damit in der Regel gerne) folgt, ihn als „Rudelführer“ akzeptiert und sich an ihm orientiert. Der Mensch (ge-)leitet seinen Hund souverän durch alltägliche, aber auch schwierige oder unbekannte Situationen ohne ihn ab- oder umzulenken oder zu manipulieren, der Hund gibt die Führung bereitwillig an seinen Menschen ab und stellt diese nicht in Frage. Umgekehrt „hinterfragt“ der Hund aber mögliches Tun wie Jagen, Vorgehen etc. erst einmal bei seinem Menschen.

Was bedeutet das in der Praxis? Ich habe bei meinen Hunden ein Rückrufsignal konditioniert, das Zurückkommen bis zu mir auf Hörzeichen verknüpfen meine Hunde mit einem Leckerchen (operante Konditionierung). Die Konditionierung hierauf ist im Normalfall relativ einfach und setzt eigentlich nur Konsequenz und den immer garantierten Durchgriff voraus (für den Fall, dass der Hund uns dennoch mal ignoriert, empfiehlt sich z. B. der Einsatz einer Schleppleine).  Nach Konditionierung wird dieser Rückruf in der Regel auch immer dann funktionieren, wenn ich a) ausreichend Leckerchen dabei habe und b) kein Außenreiz stärker als der Reiz meiner Leckerchen ist, es sei denn, und hier kommt Bindung ins Spiel, der Hund akzeptiert den Hundeführer als – wie soll ich sagen – Chef! Das heißt, ich benutze die Konditionierung auf ein Hörzeichen sozusagen zum Vokabellernen, weiß aber, dass der Hund das Verhalten nur sicher zeigt, wenn er mich und meine „Ansage“ im Ganzen annimmt.

Ein anderes Beispiel aus der Praxis: viele Hunde lassen sich mit Hilfe eines Triebmittels (z.B. einem Ball) sozusagen „spielend“ ab- und/oder umlenken… der ach so geliebte Ball ist dann wichtiger als der potentielle Gegner am anderen Ende des Weges. Der Hund tut für seinen Ball einfach alles… was aber hat das mit Bindung zu tun? Nichts! Weil auch der Hundeführer in diesem Fall unwichtiger ist als der Ball. Deutliche Anzeichen hierfür sind  

-    das einfach nur nach der Hand/der Tasche mit dem Ball Gucken

-    dass der Ball nicht wieder zum Menschen zurück gebracht wird

-    schlimmer noch, der Mensch seinem Hund hinterher jagt, um wieder in Besitz des Balls zu gelangen oder

-    der Hund den Ball mit mehr oder minder weitem Abstand vor seinen Menschen legt und dieser zum Ball laufen muss oder

-    der Hund (über-)lässt den Ball (also seine Beute) nicht seinem Menschen,  gibt ihn womöglich auch auf Hörzeichen „AUS!“ nicht her

Ich belohne meine Hunde teilweise mit dem Ball, zum Beispiel nach einem erfolgreichen Abruf von Wild, sprich, Hund sieht Wild, setzt an (meine Hunde sind bzw. wären, wenn sie dürften, Sichtjäger), ABRUF meinerseits, Hund dreht ab, Ball wird geworfen, Hund beutelt den Ball wie ein gefangenes Stück Wild… aber, ich entscheide über das Ende dieses „Beutespiels“, nehmen meinen Hunden den Ball ab und sage „Schluss“. Diese Entscheidung wird dann auch seitens meiner Hunde nicht mehr in Frage gestellt, sie nehmen meine „Ansage“ an. Da guckt auch keiner mehr nach meiner Hosentasche…

Noch ein Beispiel: ich habe ja nun auch einen sehr unsicheren Hund, der Defizite aus der Sozialisierungsphase hat. Ich bemühe mich, ihm "körpersprachlich" Sicherheit zu geben und durch, aus Sicht des Hundes kritische  (z.B. Begegnungen mit großen oder mehreren Hunden) Situationen zu führen. Hierzu gehören u.a. ein aufrechter Gang, keine Hektik und möglichst keinerlei Ansprache (weil diese im falschen Moment auch falsche Zeichen setzen könnte…). Ein „Durch-die-Situation-gehen“ mit einem mittels Triebmittel ab- oder umgelenkten Hund hätte a) keinerlei Lernerfolg und b) nichts mit Abgabe von Verantwortung und Führung des Hundes an den Menschen zu tun.

Nun gibt es sehr viele Lehr- und Lernansätze zu diesem Thema, viele davon nach dem Motto: Arbeiten ohne (künstliche) Triebmittel, damit der Hund uns (und nicht einem Triebmittel) folgt im Sinne von „der Hund möchte uns gefallen“ bis hin zu der Annahme, er möchte dies um unser selbst Willen tun … das sind Zusammenhänge, die Hunde meines Erachtens so nicht verstehen, herstellen und leben. Kein Hund tut etwas dafür, um einem anderen Hund/Mensch zu gefallen, bestenfalls zeigen sie Verhaltensweise, um nicht zu missfallen (Angst vor unangenehmen Konsequenzen wie Nichtbeachtung, Ausschluss aus dem Sozialverband oder ausbleibendes Beuteteilen). Hunde sind und bleiben triebgesteuert und opportun. Auch (Erziehungs-) Methoden, die auf rudelähnlichen Regeln basieren, reichen meiner nach nicht aus, einen Hund heutzutage alltagstauglich zu machen. Hund und Mensch können per se kein Rudel bilden, bestenfalls einen Sozialverband. Darüber hinaus sollte nicht unbeachtet bleiben, dass sich der (Haus-) Hund in den letzten Jahrtausenden den Menschen angepasst und bestens mit dieser Situation arrangiert hat. Und unsere heutige moderne und hoch technisierte Umwelt, die, in denen die meisten von uns und deren Hunde leben, hat nichts mit dem Umfeld und Rudelleben (noch) freilebender Wölfe zu tun. Um sich heute sicher mit Hund in Gesellschaft und Verkehr bewegen zu können, braucht es deutlich mehr, als dass der Hund seinem Menschen einfach nur gerne folgt. Ich glaube durchaus, dass es in einem idealen Umfeld (weit weg von Straße und Verkehr, zusammen mit einem kleinen Hunderudel, ein wenig mehr Flexibilität und Zeit  im (Arbeits-) Alltag, der Möglichkeit, Hunde ihrer Anlage entsprechend zu beschäftigen und auszulasten (z.B. Hüten)) möglich ist, Hunde ohne Belohnungsleckerlis oder z.B. Bällchen auszubilden und zu erziehen. Allerdings sind diese Umstände für die meisten „Otto-Normal“ - Hundehalter abseits jedweder Realität und im stinknormalen Alltag kaum umsetzbar.

Nichtsdestotrotz bleibt der Hund ein Hund. Und unstrittig ist, dass Hunde Körpersprache grundsätzlich besser verstehen als mühsam erlernte Hörzeichen (Vokabeln). Auch findet und versteht der Hund seine Rolle im Sozialverband und in seinem Umfeld besser, wenn sein Mensch authentisch ist und klare Regeln aufstellt, kommuniziert und durchsetzt, wenn es nötig ist auch mal mit körperlichen Einsatz (Begrenzung, Schnauzgriff). Klare Regeln sind die Basis für Vertrauen des Hundes in seinen Menschen und die Bereitschaft diesem zu folgen und sich an ihn zu binden. Voraussetzung hierfür ist allerdings das grundsätzliche Verständnis dieser Zusammenhänge und der Bedeutung der eigenen Körpersprache für den Hund sowie die Bereitschaft zu absoluter Konsequenz

Wie aber erfolgt denn nun Bindungsaufbau?

Eins vorneweg: BEZIEHUNG KOMMT VOR ERZIEHUNG, aber Erziehung (weil Mensch sich intensiv mit dem Hund beschäftigt) kann sehr wohl beim Beziehungsaufbau helfen. Dies gilt insbesondere auch für Second-Hand-Hunde.

Aber insbesondere beim Welpen braucht’s anfangs kein „Sitz“ und „Platz“, um Bindung herzustellen, sondern unter Einbeziehung des natürlichen Folgetriebs des Welpen gilt es zum Beispiel

  • gemeinsam die Welt zu „erobern“, dem Welpen die Welt zeigen – insbesondere in der Sozialisierungsphase,
  • den Hund vertrauensvoll an Unbekanntes oder Ängstigendes heranführen,
  • gemeinsam und vor allen Dingen körpernah zu spielen, zusammen zu „arbeiten“ (hierzu können dann die Anfänge von „Sitz“ und „Platz“ gehören, aber auch frühes Clickern, erste Schritte auf dem Hundeplatz und vieles mehr), etwas gemeinsam machen
  • dem Hund den eigenen Führungsanspruch klar zu machen, eindeutige Regeln aufzustellen und diese auch konsequent durchzusetzen (ein „Nein“ ist und bleibt ein „Nein“, immer und sofort, zumindest solange, bis der Hund die Regeln verstanden und die Führung seines Menschen anerkannt hat)
  • stets berechenbar für den Hund zu sein!

Und die Quintessenz?

Ich glaube, und so arbeite und lehre ich, dass die Mischung es macht. Ich lehne keine Methode (außer die, die auf Zwang basiert) prinzipiell ab, die meisten haben einen durchaus nachvollziehbaren Ansatz. Wichtig ist, dass die Methode bzw. deren Mischung auf das jeweilige Hund-Mensch-Team und auch auf dessen Umfeld (!) passen. 

So unterstützt der Einsatz von Körpersprache die sichere und souveräne Führung eines Hundes auch durch schwierige Situationen oder zeigt deutliche Missbilligung von Fehlverhalten seitens des Hundes an.

Körpereinsatz in Form von „Streicheln“ kann als Lob zum Tragen kommen (so es der Hund als solches verstehen kann), aber zum Beispiel auch zum Festigen von Bindung beim ausgiebigen Schmusen (Kontaktliegen).  Körperliche Begrenzung kann, unter der Voraussetzung, dass Mensch das Ausmaß seines Handelns einschätzen kann, sinnvoll eingesetzt werden, um Hunde aus bestimmten Situationen wegzudrängen (Maßnahme gegen z.B. Mobbing), Hunde nach Übergriffen eindeutig in ihre Schranken zu weisen oder als Schnauzgriff, wenn mal zu viel Maul im Spiel war.

Leckerlis machen sich durchaus verdient als Be- und Verstärkung insb. bei der Konditionierung von Hörzeichen und  der Ball und/oder ähnliches zum Triebaufbau, -kontrolle und -befriedigung. (Arbeitsersatz)

Wesentlich aber ist und bleibt der auf das jeweilige Team angepasste Trainingsansatz, fernab aller Dogmen, mit dem die jeweiligen Teams arbeiten können und wollen…