Mein gutes, altes Mädchen, nun sind es schon fast zwei Monate her, dass du die Welten gewechselt hast. Zwei Monate… aber mir kommt es vor wie gestern…ich spüre immer noch dein so weiches Fell zwischen meinen Händen, das ich immer, wenn ich mich zum Gehen vorbereitet habe und auf den Hocker zum Schuhe anziehen gesetzt habe, gespürt habe. Immer, wirklich immer bist du gekommen, und hast deinen Kopf zwischen meine Beine gedrückt und ich habe deine, seit der späten Kastration auch immer sehr plüschige Mähne gekrault. Ich spüre aber auch noch ganz genau den Moment, in dem ich dich in deinen letzten Schlaf gekrault habe, so weich, so nah, so unwiederbringlich…

Morgens, wenn ich runter komme, schaue ich unweigerlich als erstes auf dein Körbchen. Die Treppe ins Schlafzimmer konntest du ja schon länger nicht mehr laufen, und die erste Nacht, die du nicht mehr bei mir am Bett liegend verbringen konntest, war sehr schwer für uns beide. Wir haben uns aber gut damit arrangiert.  Ich habe dein Körbchen runtergebracht und du hast es soooo geliebt. Du hattest viele Decken drin (und untendrunter eine Inkontinenzunterlage, weil ich nicht wusste, ob du eventuell „undicht“ wirst. Wurdest du aber tatsächlich nicht…), die du nur allzu gerne ordentlich zerwühlt hast (schon immer!).  Ich sage dir auch immer noch morgens „guten Morgen“, aber deine Tabletten habe ich mittlerweile entsorgt. Ja, es gibt so manchen Morgen, da stehe ich schon mit dem Gedanken an dich auf, dann begleitest du mich irgendwie auch den ganzen Tag und ich habe das Gefühl, du bist auf unserem Morgenspaziergang dabei. Dann rede ich auf diesem mit dir und frage dich, wie es dir „da drüben“ geht.

Ja, wir gehen wieder deutlich länger spazieren, auch ömmeln wir jetzt natürlich nicht mehr, sondern sind wieder flotter unterwegs, aber manchmal vermisse ich diese langsamen Runden, weil sie mich unglaublich entscheunigt haben, so wie du im Alter meinen gesamten Alltag entschleunigt hast und das war eigentlich sehr schön.

Zwei Monate schon, die Welt hat sich weiter gedreht, Corona hat uns nach wie vor, wenngleich nicht mehr ganz so fest, im Griff, der Sommer ist da, noch nicht so heiß, wie vor einem Jahr… die letzten zwei ach so wahnsinnig heißen und trockenen Sommer waren nichts für dich, wenn es heutzutage sehr heiß ist, denke ich oft daran, dass dir diese Tage wieder arg schwer gefallen wären, genauso wie das Treppensteigen hinauf ins Büro und runter. Die letzten Tage vor deinem Weltenwechsel habe ich dich schon nicht mehr mitgenommen und nur noch halbtags gearbeitet. Aber bis dahin hast du mich immer ins Büro begleitet.

Mein gutes, altes Mädchen, ich denke so oft an dich, du hast mich so viele Dinge gelehrt…

…ohne dich hätte ich mich wahrscheinlich nie so leidenschaftlich und intensiv mit der Kynologie beschäftigt, das fing ja schon an, als nur vage im Raum stand, dass ein Border Collie – Mischling hier einzieht. Was habe ich innerhalb aller kürzester Zeit Literatur verschlungen und (Internet-) Artikel in mich aufgesogen…

… ohne dich hätte ich die Natur nie so sehen und erleben gelernt, wie ich es heute tue. Draußen sein, meine tägliche Runde mittenmang schönster (wenngleich leider schon arg gebeutelter) Natur, ich hätte es vielleicht nie zu schätzen gewusst…

… ohne dich, die du ja auch die Basis für die Mehrhundehaltung gelegt hast, wäre ich vermutlich nie zur Fotografie gekommen. Als Kenzie einzog und ich etwas später ein Fotoshooting buchte, damit ich ein paar Fotos von euch in „jungen“ Jahren haben konnte, ahnte ich, dass die fotografische Begleitung eurer Entwicklung mit externen Spezialisten sehr schnell sehr teuer werden könnte – und entschied, das mache ich fortan selber! Was bin ich heute froh darüber…! Hier steht auf der Fensterbank ein digitaler Fotorahmen, der 76 (von ca. 1000 von dir im Zeitraum 2010 bis 2020 von mir geschossenen) Fotos in Dauerschleife wiedergibt. Am Rahmen hängen übrigens dein  „Ausgeh-Halsband“ und das „Immerdrauf“ (ohne Ringe etc.), welches du ununterbrochen aufgrund deiner Taubheit seit 2017 getragen hast, sozusagen, mein Schnellzugriff. Ich mochte aber die letzten Wochen nicht wirklich gerne fotografieren…

Und nicht zuletzt, ohne dich hätte ich nie den ganzheitlichen Ansatz in der medizinischen Betrachtung von Problemen, Auffälligkeiten, Krankheiten und deren Therapien (sowie die dazugehörigen Therapeuten) kennen lernen dürfen. Das grundsätzliche Verständnis dieses Ansatzes hat mein Leben ein Stück weit revolutioniert!

Aber du hast auch den anderen Mädels viel gelehrt. Souverän hast du ihnen die Welt erklärt, warst der ruhende Pol in unserem bunten Trubelrudel und manchmal, ganz manchmal, durfte sich auch mal jemand zu dir legen. Eigentlich warst du kein Kuschelhund, hast viel Wert auf Distanz gelegt, aber manchmal eben auch nicht. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass Tüütchen in den letzten Wochen häufiger mal sehr nahe an deinem Körbchen gelegen hat, ich glaube, sie war dann einfach für dich da. Ja, das Tüütchen, ich glaube, sie hat sich noch mal viele „Informationen“ von dir geholt, wie das so ist mit „für die anderen da sein“. Sie ist jetzt hier die stille „Chefin“, die den anderen ein Vorbild ist. Sie macht das übrigens sehr gut…

Mein gutes, altes Mädchen, es gibt aber so viele Plätze, die so leer geworden sind… ich erwische mich dabei, wenn ich eure Näpfe für die Zubereitung des Futters einsammle, zu deinem Futterplatz gehe, aber da steht kein Napf mehr. Und neulich habe ich „Eichen“, also für einen Salat in geschnittene Scheiben zerlegte Eier, für vier Hunde beiseitegelegt …

Wenn ich ohne euch das Haus verlasse, gucke ich vom Parkplatz meines Autos immer noch mal ins Wohnzimmer. Da steht die Couch, von der aus du immer sehen konntest, ob ich jetzt wirklich, wirklich weg gehe. Du bist (bis zum letzten Tag) auf diese gekrabbelt, und hast geguckt, wo ich bin. Die Couch ist nun leer…

Und ich erwische mich dabei, wenn ich meinen Tagesablauf zwischen Job und Hundeplatz plane, kurz darüber nachzudenken, ob du die darin vorgesehene Hunderunde in Anbetracht von Temperatur und sonstigen Umständen noch schaffst…

Mein gutes, altes Mädchen, wie du merkst, bist du hier immer noch sehr präsent, und das ist gut so! Wir haben uns hier gut arrangiert, nur Kenzie wirkte eine Zeit lang etwas gestresst, ist aber wieder bei ihrem „normalen“ Maß angekommen. Ich bin aber sicher, es geht dir gut da, wo auch immer du bist und ich weiß, dass du ein tolles und langes Leben hier auf Erden hattest, und dennoch, du fehlst, sehr …